"Vorbild zu sein ist ein absolutes Glücksgefühl"
Janine Steeger | Die Green-Speakerin Janine Steeger alias Green Janine spricht im Interview über ihren radikalen Wandel und ihre Herausforderungen – von der jetsettenden Fernsehmoderatorin hin zu Green Janine. Ein weiteres Kernthema ist die Gendergerechtigkeit und warum es gerade im Kampf gegen die Klimakrise weibliche Perspektiven und weibliche Stärken braucht. Außerdem spricht sie über ihr Vorbild Michael Kuhndt, der ihr half den eigenen Perfektionsanspruch abzulegen.
Frau Steeger, Sie haben die Fernsehkarriere an den Nagel gehängt und stattdessen begonnen als Green Janine durchzustarten. Wie kam es zu dem Wandel?
Mein Change-Moment war die Fukushima-Katastrophe 2011. Vorher hatte ich mit dem Thema Nachhaltigkeit nichts am Hut. Ich war schwanger, als ich die Katastrophe beobachtet habe und habe mich gefragt: „Was ist das für eine Welt, in die ich ein Kind gebäre?“ Ich habe dann nach den ersten Schockmomenten angefangen zu überlegen, was ich tun kann, was ich ändern kann. Es ging im privaten Bereich los und gipfelte darin, dass ich meinen Job gekündigt habe, weil ich damals bei meinem Arbeitgeber nicht durchdringen konnte mit den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz.
Gab es jemanden, der Sie auf Ihrem Weg zur Green Janine inspirierte?
Zu Beginn meines Veränderungsprozesses, also unmittelbar nach der Fukushima-Katastrophe, war ich ziemlich radikal unterwegs. Nur tiefgrün kann funktionieren, nur Nachhaltigkeits-Pionierinnen und -Pioniere, nur der totale System-Change. Dann traf ich auf den wunderbaren Michael Kuhndt, geschäftsführender Direktor des CSCP in Wuppertal. Er stellte mir damals die Fragen, die ich heute häufig anderen stelle: "Was genau glaubst Du mit diesem Weg erreichen zu können? Was kann wirklich funktionieren, wenn Du die großen Tanker nicht mitnimmst?" Michael machte mir bewusst: "Sie haben die Hebelwirkung! Sie müssen sich verändern. Dann ändert sich alles!" Das hat sich bei mir total eingebrannt. Und ich glaube bis heute zutiefst daran, dass Michael Recht hat. Also stelle ich Fragen, auch kritische Fragen. Aber ich gestehe auch Unternehmen zu, dass sie nicht von jetzt auf gleich perfekt sein können. Sie sind auf einem Weg. Mal weniger und mal mehr glaubwürdig. Aber dass sie auf dem Weg sind, müssen wir verkünden, pushen und nachhalten.
Über Janine Steeger:
Janine Steeger alias Green Janine war ehemals TV-Moderatorin, bis sie sich entschied ihre Fernsehkarriere an den Nagel zu hängen – und stattdessen als Green-Speakerin, Journalistin, Mitgründerin von Futurewoman und Autorin zweier Bücher ("Going Green: Warum man nicht perfekt sein muss, um das Klima zu schützen" und "Warum Frauen die Welt retten werden") durchzustarten.
Der Rat "nicht von jetzt auf gleich perfekt sein zu müssen" findet sich auch an dem Titel Ihres Buches „Going Green: Warum man nicht perfekt sein muss, um das Klima zu schützen“ wieder. Wovon handelt die Veröffentlichung?
"Going Green: Warum man nicht perfekt sein muss, um das Klima zu schützen" beschreibt meine eigene Geschichte von der jetsettenden Fernsehmoderatorin hin zu Green Janine. Mit allen Höhen und Tiefen. Ehrlich, authentisch, lustig. Und ohne jeden Perfektionsanspruch. Perfektion hemmt uns. Das ist Mist. Alle müssen anfangen. Und dabei eben auch Kompromisse eingehen.
Eingängig ist auch der Titel Ihres Buches "Warum Frauen die Welt retten werden". Erzählen Sie uns mehr über den Inhalt.
Bei "Warum Frauen die Welt retten werden" habe ich zusammen mit Ines Imdahl vermeintliche Schwächen von Frauen in Stärken verwandelt und gefragt: Was nützen uns diese Stärken für die Zukunft. Ein Beispiel: Aus "Frauen sind so kompliziert!" wurde: "Frauen denken in komplexen Zusammenhängen und mit Weitsicht." Das können sich alle schnell an drei Fingern abzählen, dass Weitsicht und komplexes Denken insbesondere beim Thema Nachhaltigkeit eine sehr relevante Größe ist. Das Tolle ist: In Kombination mit dem eher linearen Denken der Männer, dem Willen, schnelle Erfolge erzielen zu wollen, wird ein Perfect Match daraus. Frauen minimieren das Risiko auf der Langstrecke. Männer sorgen dafür, dass es endlich losgeht und nicht noch jedes Problem tausendmal gewälzt wird. Unser Buch basiert übrigens auf einer wissenschaftlichen Studie der "Rheingold Salon GmbH & Co. KG" in Köln. Das ist also keine Küchentisch-Psychologie.
Umweltfreundliches Entrepreneurship-Programm
Ein weiteres Herzensprojekt von Ihnen ist "Futurewoman", das Sie zusammen mit Dr. Saskia Juretzek und Sandra Broschat ins Leben gerufen haben – was sind die Hauptziele?
Futurewoman ist einzigartig. Wir sind die erste Plattform, die Expertinnen der Nachhaltigkeit bündelt und für Programmmachende und Medienschaffende sichtbar macht. Die Aussage: "Wir haben leider keine Frau gefunden, die zu dem Thema sprechen kann", ist damit obsolet. Jedes Thema, aber insbesondere der Kampf gegen die Klimakrise braucht auch die weiblichen Perspektiven und die weiblichen Stärken. Aktuell sind die viel zu sehr unterrepräsentiert. Das kostet uns wertvolle Zeit, die wir nicht haben. Deshalb verschaffen wir mit futurewoman.de Expertinnen der Nachhaltigkeit Gehör und Sichtbarkeit.
Welche Herausforderungen sind Ihnen bei Ihrer Entscheidung, im nachhaltigen Business einzusteigen, begegnet?
Die größte Herausforderung war es als glaubwürdig betrachtet zu werden in der "Grünen Szene". Die haben sich damals natürlich schon gefragt: Was will die Frau vom Boulevard jetzt bei uns. Zum Glück konnte mir niemand vorwerfen, dass ich auf ein Thema aufspringe, das ohnehin in aller Munde ist. Leider war es das 2015 noch nicht. Ich habe dann mit Leidenschaft, Authentizität und Wissensaufbau überzeugt. Mein Fernstudium „Betriebliches Umweltmanagement und Umweltökonomie“ hat mir weitergeholfen und meine Interviews besser gemacht.
Und welche Herausforderungen gab es bei Ihrem Umstieg in ein privates nachhaltigeres Leben?
Bei allem, was ich verändert habe, kam am Ende immer etwas Positives raus. Ehrlich! Der Anfang ist hart. Plötzlich habe ich mich bei jeder Konsumentscheidung gefragt: "Geht das auch nachhaltiger? Und was heißt das dann? " Das Gute ist: Es gibt keine Anleitung. Alle können dort anfangen, wo es ihnen am wenigsten abverlangt und am meisten Spaß macht. Und danach ist es wie Blut lecken. Wer einmal anfängt, macht weiter.
Was bedeuten für Sie heute Nachhaltigkeit und soziales Engagement?
Nachhaltigkeit ist unmittelbar verbunden mit der Frage: "Wie geht es den anderen?" Was haben meine Ansprüche, meine Gewohnheiten damit zu tun, worunter andere Menschen auf der Welt eventuell leiden müssen. Ich bin eine Gerechtigkeitsfanatikerin mit großem Herzen. Und da ist noch so viel zu tun.
Empowerment von Frauen und Jugendlichen in Kamerun
Wie ist es für Sie, heute ein Vorbild für andere zu sein?
Vorbild zu sein ist ein absolutes Glücksgefühl. Man entdeckt, man kann etwas bewirken und andere inspirieren. 2014 waren wir eine der ersten Familien mit einem Lastenrad in Köln. Wir hatten ein auffälliges Modell, wurden ständig angesprochen, haben Beratungsgespräche geführt. 1,5 Jahre später waren wir in der Masse versunken. Vor der Schule unseres Sohnes standen plötzlich nicht mehr nur wir mit Lastenrad, sondern 10, 15 weitere Eltern. Das ist mega. Ich weiß in dem Moment: Ich habe einen Anteil daran.
Was ist Ihrer Meinung nach die Stärke oder das Potenzial der vom BMBF geförderten Kampagne BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung)?
Die Kampagne ist enorm wichtig, weil wir eine große Mitte in der Bevölkerung brauchen, die sich einsetzt für das Erreichen der Klimaziele und der Sustainable Development Goals (SDGs). Die 17 SDGs sind in Deutschland noch viel zu wenig bekannt. Deshalb ist diese Kampagne so toll. Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit, mehr Wissen und mehr Verständnis.
Gibt es spezielle neue soziale oder nachhaltige Projekte oder Vorhaben, die Sie in Planung haben?
Ich möchte häufiger die Möglichkeit haben, andere von der Dringlichkeit des Themas zu überzeugen und vor allem, sie durch Lösungen zu inspirieren. Und Female Empowerment ist und bleibt in dem ganzen Spiel eine Herzensangelegenheit.
Drei Dinge für die Zukunft
Mein Tipp für andere
Das ist eigentlich relativ simpel:
1.) Wissen aneignen – Klimakrise ist wissenschaftlich belegt. Da muss niemand lange suchen, das findet sich alles sehr schnell.
2.) Ins Handeln kommen. Sehr viel schwieriger, weil es mit Veränderungen einhergeht. Also: Schauen, wo ist die niedrigste Schwelle, was fällt mir zum Start am leichtesten. Für manche ist es der Mehrwegbecher, für andere ist es die Abschaffung des Privat-Pkws. Und wer privat angefangen hat sich mit den Themen zu beschäftigen, nimmt das mit in den Job. Und auch dort können wir alle gucken: Was kann meine Position, meine Abteilung, ich, beitragen zu mehr Nachhaltigkeit im Unternehmen?
Meine Vision für 2030 und 2050
Ich will nicht aufhören daran zu glauben, dass wir die in Paris beschlossenen Klimaziele erreichen können. Bis dahin befinden wir uns in der alles entscheidenden Dekade. Alles andere, eben auch 2045 und 2050 ist nachgelagert. Bestimmte Ziele, die wir bis 2030 erreichen müssen, sind danach nicht mehr aufholbar. Da dann Kipppunkte erreicht sind, die irreversibel sind. Deshalb konzentriere ich mich auf 2030. Noch haben wir die Chance.
Mein dringlichstes Nachhaltigkeitsziel
Ganz klar, das Sustainable Development Goal Nummer 5: Geschlechtergerechtigkeit. Es ist mir ein persönliches Anliegen mich gegen sämtliche Formen der Diskriminierung, Gewalt und Ausbeutung von Frauen und Mädchen einzusetzen.
Über Janine Steeger