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"Die Welt Stück für Stück besser machen"

Dr. Michael Pahle | Dr. Michael Pahle, Leiter der Arbeitsgruppe "Klima- und Energiepolitik" am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) berichtet im Interview darüber, wie er sich für Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) einsetzt – und warum es wichtig ist, Nachhaltigkeit nicht mit einer diffusen Vorstellung von einer besseren Welt gleichzusetzen. Außerdem erzählt er von den Menschen, die ihn "nachhaltig" geprägt haben.

Dr. Michael Pahle schaut in die Kamera, daneben ein Zitat über sein Vorbild Ottmar Edenhofer: "Von ihm habe ich insbesondere gelernt, dass jede gute Wissensvermittlung mit Fragen an das Gegenüber beginnen sollte."
© PIK/Klemens Karkow

Was bedeutet BNE für Sie?

BNE hat für mich zwei Elemente: ein grundlegendes Verständnis der Dimensionen von Nachhaltigkeit und eine kritische Auseinandersetzung mit Maßnahmen, um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Besondere Herausforderung dabei ist aus meiner Sicht, Nachhaltigkeit nicht mit einer diffusen Vorstellung von einer besseren Welt gleichzusetzen. BNE sollte daher vermitteln, dass Nachhaltigkeit messbar und damit auch evaluierbar gedacht und gelebt werden muss. Ist das lokal gefertigte Kleidungsstück wirklich nachhaltiger als das aus Fernost, ist die Papiertüte wirklich nachhaltiger als die Plastiktüte? Sehr oft glauben wir, dass die Antwort klar ist. Aber weil Nachhaltigkeit so vieldimensional ist, kann die Antwort sehr überraschend ausfallen. Außerdem können dadurch Zielkonflikte in den verschiedenen Dimensionen klar werden, die wir nur allzu gerne ausblenden. Das ist insbesondere für die Wahl und Bewertung von Maßnahmen wichtig.

Innovationspapier des Rates für nachhaltige Entwicklung

Gibt es jemanden, der Sie zu Ihrem Engagement für Bildung für nachhaltige Entwicklung inspiriert hat?

Mein Engagement lässt sich wohl am besten mit "Lehre für Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger" beschreiben. Ich versuche, Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Antworten auf ihre Fragen zu geben – aber auch sie auf Fragen hinzuweisen, die sie nicht auf dem Radar haben, sich aber stellen sollten. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, hat mich über die rund 20 Jahre unserer Zusammenarbeit immer wieder inspiriert. Von ihm habe ich insbesondere gelernt, dass jede gute Wissensvermittlung mit Fragen an das Gegenüber beginnen sollte. Sehr inspiriert hat mich auch mein amerikanischer Kollege Dallas Burtraw. Für ihn ist es immer am wichtigsten, entscheidungsrelevante Wissenschaft zu machen – auch wenn das bedeutet, auf akademische Würden und Ehrungen zu verzichten. Und zu guter Letzt hat mich Inge Kaul dazu inspiriert, Leserinnen und Leser meiner Texte immer im ersten Absatz klarzumachen, warum sich das Lesen lohnt. Das ist für mich seither ein integraler Bestandteil guter Bildung und Wissenschaftskommunikation.

Dr. Michael Pahle spricht vor einem Fenster, das ins Grüne zeigt.

"Jede gute Wissensvermittlung sollte mit Fragen an das Gegenüber beginnen."

QuelleZitat Dr. Michael Pahle © Bild: PIK/Klemens Karkow

Über Dr. Michael Pahle:

Dr. Michael Pahle ist Leiter der Arbeitsgruppe "Klima- und Energiepolitik" am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Emissionshandelssysteme, öffentliche Unterstützung für CO2-Bepreisung und regulatorische Strategien zur Erreichung von Klimaneutralität. Er leitet die Forschungsaktivitäten zu "Europäischer Klima- und Energiepolitik" im BMBF-Kopernikus-Projekt Ariadne, dem größten sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekt zur Energiewende in Deutschland. Dr. Michael Pahle berät die deutsche Regierung und das Parlament, die EU-Kommission und das EU-Parlament. Darüber hinaus ist er Mitglied der Global Climate Policy Partnership, eines internationalen Netzwerks von Forschungseinrichtungen, die zur Klimapolitik beraten. Über seine Arbeiten berichten Medien wie Frankfurter Allgemeine Zeitung, Spiegel, Süddeutsche Zeitung, Handelsblatt, Financial Times, Bloomberg, The New York Times und The Wall Street Journal.

Heute sind Sie selbst durch Ihr Engagement eine Vorbildfigur. Wie fühlt sich das an?

Das kann ich nicht sagen, weil ich mich selbst eigentlich nicht als Vorbild ansehe. Ich weiß auch nicht, ob meine Vorbilder sich selbst als Vorbilder ansehen. Vielmehr ist mein Eindruck, dass sie sich alle einer wichtigen Sache – der Eindämmung des Klimawandels bzw. dem Gemeinwohl – verpflichtet sehen. Was sich aber auf jeden Fall sehr gut anfühlt: zu sehen, dass meine Arbeit Menschen dazu bewegt, über Nachhaltigkeit offener und zugleich (selbst)kritischer nachzudenken.

Ist Netzwerken für nachhaltige Arbeit wichtig und wie gelingt es Ihrer Meinung nach?

Netzwerken ist sehr wichtig, aber es sollte Mittel zum Zweck sein. Es geht nicht darum, möglichst viele Kontakte zu haben, sondern die richtigen. Dafür muss man wissen: Was möchte ich bewirken, mit wem muss ich mich dafür zusammentun, und wen müssen wir dafür erreichen und ggf. überzeugen? Um diese Fragen zu beantworten, braucht man ein strategisches (Bildungs-)Ziel. Das ist der Schlüssel.

Wichtige Neuigkeiten aus der Politik: Die Ratsempfehlung zu BNE wurde verabschiedet

Was sind Ihre nächsten Projekte – oder worauf legen Sie in nächster Zeit Ihren Fokus?

Mein zentrales Forschungsthema ist und bleibt der Emissionshandel. Er deckelt die Treibhausgasemissionen und stellt damit sicher, dass die Klimaziele erreicht werden. Was mich darüber hinaus immer mehr interessiert, ist die Kommunikation von klimapolitischen Maßnahmen. Wie kann man effektiv kommunizieren und dadurch die gesellschaftliche Unterstützung für Maßnahmen erhöhen? Ich habe den Eindruck, dass viele unpopuläre, aber wichtige und sinnvolle Maßnahmen politisch nicht umgesetzt werden, weil die Politik glaubt, sie nicht erklären bzw. vermitteln können. Da setzen unsere Projektvorhaben an.

Das war das 16. FONA-Forum

Petrolfarbener Handabdruck auf gelbem Hintergrund.

"Die Entwicklung einer Bescheidenheit gegenüber der eigenen Meinung und Lebensweise sehe ich zumindest für mich selbst als sehr wichtig an."

QuelleZitat Dr. Michael Pahle © Bild: BMBF

Wie setzen Sie in Ihrem Alltag Nachhaltigkeit um?

Ich bin Minimalist in nahezu allen materiellen Dingen. Allerdings verreise ich sehr gerne in ferne Länder und mein CO2-Fußabdruck ist sicherlich groß. Über Nutzen und Schaden dieses Verhaltens diskutiere ich öfter mit Freundinnen und Freunden und Kolleginnen und Kollegen – und auch darüber, wie sehr individuelles Verhalten wichtig ist und wie sehr der gesellschaftliche Rahmen. In dieser Form ist Nachhaltigkeit in meinem Alltag am gegenwärtigsten.

Was ist Ihrer Meinung nach die Stärke oder das Potenzial der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kampagne Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)?

Ich habe die Kampagne gerade erst kennen gelernt und kann daher nichts über die Details sagen. Aber Ziele und Anspruch finde ich sehr gut und wichtig. Ich denke die BNE-Kampagne hat ein besonders großes Potenzial, wenn sie es schafft die Menschen zu erreichen, die sich noch nicht mit Nachhaltigkeit beschäftigen oder ihr eher ablehnend gegenüberstehen.

Dr. Michael Pahle im Porträt schaut direkt in die Kamera.

"Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen sind als Grundlage zur Erreichung aller anderen Ziele wichtig."

QuelleZitat Dr. Michael Pahle © Bild: PIK/Klemens Karkow

Drei Dinge für die Zukunft

Mein Tipp für andere

Beruflich: Wer wissenschaftlich zum Thema arbeiten und damit nachhaltig Erfolg haben will, muss sich sehr anstrengen und viel arbeiten. Der Lohn dafür ist das große Privileg, sich mit spannenden und relevanten Fragen rund um ein sehr wichtiges Thema beschäftigen zu dürfen.

Privat: Der Blick auf Nachhaltigkeit kann sich mitunter stark verändern, wenn man die Sichtweise darauf von Menschen und Ländern "in materieller Armut" kennenlernt. Die Entwicklung einer Bescheidenheit gegenüber der eigenen Meinung und Lebensweise sehe ich zumindest für mich selbst als sehr wichtig an.

Meine Vision für 2030 und 2050

Die habe ich nicht. Langfristige Visionen sind in der Regel utopisch oder dystopisch, und beides finde ich nicht besonders hilfreich. Ich hänge eher der Idee der "Protopie" an: Die Welt Stück für Stück besser machen, ohne dass jetzt schon klar ist, was das entlang des Weges genau bedeutet.

Mein dringlichstes Nachhaltigkeitsziel

In meiner Arbeit beschäftige ich mich vor allem mit dem Klimawandel. Aber alle 17 Nachhaltigkeitsziele (Anm. d. Red.: 17 globale Nachhaltigkeitsziele wurden 2015 von den Vereinten Nationen in der Agenda 2030 definiert) sind wichtig. Ich persönlich halte das Ziel 16 "Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen" für besonders wichtig, weil es für mich die Grundlage der Erreichung aller anderen Ziele ist.