"Aufgeben ist keine Option!"
Dr. Nicole Kirmse | Die Verhaltensbiologin berichtet im Interview über ihre Tätigkeit in der Abteilung Zoopädagogik im Allwetterzoo Münster sowie ihre Motivation sich in BNE-Netzwerken für schulische und außerschulische Bildungseinrichtungen zu engagieren. Auch für den Alltag hat sie einige ganz konkrete Nachhaltigkeitstipps.
Was bedeutet Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) für Sie?
Bei Bildung für nachhaltige Entwicklung sollen sich Menschen mit Fragen zu der Zukunft unserer Welt beschäftigen. Sie werden befähigt Zusammenhänge, aber auch Dilemmata zu erkennen und Lösungen für Fragestellungen auf verschiedenen Ebenen wie der soziologischen, ökonomischen und ökologischen zu suchen. Diese Lösungen sind nicht immer offensichtlich oder einfach, oftmals gibt es auch nicht die eine Lösung. Hier gilt es mutig zu sein, zu hinterfragen und aus verschiedenen Blickwinkeln auf ein Problem zu schauen. Für mich persönlich bedeutet das, alltägliche Entscheidungen im Bereich Konsum, Ernährung und Verkehr immer wieder zu hinterfragen und nach nachhaltigeren Alternativen zu suchen.
Gibt es jemanden, der Sie zu Ihrem Engagement für Bildung für nachhaltige Entwicklung inspiriert hat?
Eine bestimmte Person gibt es hier eigentlich nicht. Schon in meiner Schulzeit haben mich Themen rund um soziale Gerechtigkeit und Umweltthemen beschäftigt. Dieses Interesse hat sich dann in meinem Studium und Beruf fortgesetzt.
Heute sind Sie selbst durch Ihr Engagement eine Vorbildfigur. Wie fühlt sich das an?
Ich sehe mich gar nicht direkt als Vorbild. Es ist natürlich schon schön, wenn man durch eigenes Handeln andere Menschen zum Nachdenken anregen kann. Das kann aber tatsächlich jeder einzelne im Privaten auch. Jede Entscheidung, die andere Menschen zum Nachdenken und Umdenken anregt, kann Vorbild sein.
Über Dr. Nicole Kirmse:
Frau Dr. Nicole Kirmse studierte Biologie an der WWU Münster und promovierte im Bereich der Verhaltensbiologie. Sie war bereits während ihres Studiums als Zooführerin in Münster tätig und leitet seit 2020 die Abteilung Zoopädagogik im Allwetterzoo. Sie koordiniert dort u.a. die Zooschule sowie alle weiteren Bildungsangebote. Ferner vertritt sie den Allwetterzoo im BNE Netzwerk Münster. Dieses vereint Bildungsakteurinnen und Bildungsakteure aus der gesamten Stadt und hat das Ziel, BNE in Münsters schulischen und außerschulischen Bildungseinrichtungen zu vereinen und bekannter zu machen.
Ist Netzwerken für nachhaltige Arbeit wichtig und wie gelingt es Ihrer Meinung nach?
Durch starke Netzwerke werden Menschen mit den gleichen Zielen und Interessen zusammengebracht und können gemeinsam Projekte auf den Weg bringen. Oftmals erreicht man so eine deutlich höhere Weitreiche und kann Menschen für sich und seine Ideen gewinnen.
Was sind Ihre nächsten Projekte – oder worauf legen Sie in nächster Zeit Ihren Fokus?
Wir werden als Allwetterzoo im Rahmen des BNE Netzwerkes an einem Projekt für den Offenen Ganztag an Schulen mitwirken. Das ist auch wieder ein ganz schönes Beispiel für gute Netzwerkarbeit, da die Schüler ganz verschiedene Aspekte und Schwerpunkte in den einzelnen außerschulischen Lernorten kennenlernen werden.
Außerdem werde ich für die Stiftung "Haus der kleinen Forscher" demnächst auch Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte zum Thema BNE geben. Darauf freue ich mich.
Non-formale, informelle Bildung
Wie setzen Sie in Ihrem Alltag Nachhaltigkeit um?
Ich versuche vor allem im Bereich Mobilität Vorbild zu sein: Wir, als 5-köpfige Familie besitzen kein Auto. Wir nutzen gelegentlich die Möglichkeit des Carsharings, fahren lokal Fahrrad und wenn es mal in den Urlaub geht, dann fast immer mit der Bahn. Auf Flug- und Fernreisen versuchen wir zu verzichten. Das schränkt natürlich ein und macht die Urlaubsplanung mit Teenagern nicht einfach. Da merke ich die größten Einschränkungen. Auch der Bereich Konsum bietet viele Möglichkeiten sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Meine eigene Kleidung kaufe ich z.B. oftmals gebraucht. Außerdem ernähre ich mich vegetarisch und habe zwei Jahre lang eine vegane Ernährung ausprobiert.
Was ist Ihrer Meinung nach die Stärke oder das Potenzial der vom BMBF geförderten Kampagne BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung)?
Die größte Stärke von Kampagnen dieser Art ist das Sichtbarmachen. Durch die Vielfältigkeit der Testimonials wird es hoffentlich gelingen, die verschiedensten Personenkreise mit dem Thema BNE zu erreichen. Einige wissen vielleicht schon viel über darüber und beschäftigen sich bereits damit, anderen Menschen ist das so vielleicht bisher noch kein Begriff. Diese bekommen durch die Kampagne eine Vorstellung davon, was BNE ist und welchen Beitrag jeder Einzelne leisten kann.
Drei Dinge für die Zukunft
Mein Tipp für andere
Wichtig finde ich es, sich Gedanken zu machen und Diskussionen anzustreben. Meine älteste Tochter war z.B. letztlich mit dem ganzen Jahrgang auf Skifahrt und es wurde in der Elternschaft diskutiert, ob es unter Umweltgesichtspunkten noch zeitgemäß ist, solche Fahrten verpflichtend durchzuführen. Diese Diskussion war natürlich sehr kontrovers, aber ich finde es wichtig und gut, dass diese Fragen gestellt werden und dass nach Alternativen gesucht wird.
Mein Tipp ist also, offen für Alternativen zu sein, Diskussionen zuzulassen und scheinbar notwendige Dinge in Frage zu stellen.
Meine Vision für 2030 und 2050
Ich beobachte, dass das Thema BNE in den letzten Jahren auch in den Schulen richtig angekommen ist und es überall vielfältige Projekte gibt. Die Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich mit dem Thema, machen sich Gedanken und werden Lösungen suchen. Die Dringlichkeit, die Klimakrise zu lösen, ist bei den meisten Menschen angekommen. Und die Demonstrationen von Fridays for future lassen hoffen, dass Bewegung in die Sache kommt. Wir müssen dafür sorgen, dass nachfolgende Generationen in eine lebenswerte Zukunft schauen können. Aufgeben ist keine Option!
Mein dringlichstes Nachhaltigkeitsziel
Wir haben uns hier im Allwetterzoo der Hochwertigen Bildung (SDG 4) und dem Artenschutz verschrieben. Letzteres beinhaltet Maßnahmen zum Klimaschutz (SDG 13), Leben unter Wasser (SDG 14) und Leben an Land (SDG 15). Aber natürlich bedingen sich die verschiedenen Ziele. Das vernetzte Denken und über den Tellerrand schauen ist ja gerade ein wichtiger Bestandteil und Ziel von BNE.
Über Dr. Nicole Kirmse