Fridays for Future – Interview mit der UNESCO-Projektschule Hainberg-Gymnasium, Göttingen
Am 15. März versammelten sich Schülerinnen und Schüler der Fridays for Future-Bewegung auf den Straßen. Im Interview bei uns: das Hainberg-Gymnasium in Göttingen. Über die Motivation der Schülerinnen und Schüler und den Zusammenhang mit BNE.
"We don’t have Time!“ Mit ihren Plakaten fordern sie einen erfolgreichen und effektiven Klimaschutz – weltweit nehmen Schülerinnen und Schüler an der Fridays for Future-Bewegung teil. Begonnen hat es mit der Schülerin Greta Thunberg, die im damit begann August 2018 immer freitags vor dem schwedischen Parlamentsgebäude für den Klimaschutz zu demonstrieren. Bei dem globalen Schülerstreik am 15. März folgten mehr als eine Millionen Schülerinnen und Schüler ihrem Beispiel und gingen auf die Straße, um ihren Forderungen nach schnellen und wirkungsvollen politischen Lösungen Gehör zu verschaffen.
Unter den Demonstrierenden sind auch sie, Schülerinnen und Schüler der UNESCO-Projektschule Hainberg-Gymnasium in Göttingen. Die Redaktion des BNE-Portals sprach mit einem Schüler sowie einer Lehrerin des Gymnasiums über die Streiks. Welche Motivation die Schülerinnen und Schüler antreibt, wie die Lehrerinnen und Lehrer die Streiks beurteilen und welchen Zusammenhang es mit Bildung für nachhaltige Entwicklung gibt, erfahren Sie hier im Interview.
Linus, Jahrgang 9, engagiert sich von Anfang an bei den Schülerdemonstrationen.
Warum streikst Du?
Ich streike, weil ich mit Fridays for Future zum ersten Mal aufrichtig das Gefühl hatte, dass Erwachsene und gerade erwachsene Politiker mir zuhören und mein Anliegen gehört wird. Zur selben Zeit denke ich, dass unser Anliegen so unglaublich dringend ist, dass wir uns nicht mehr auf die Erwachsenen verlassen können.
Was sind Eure Forderungen und was erhofft Ihr Euch von dem Streik?
Wir machen klar, dass es bereits Ziele und Maßnahmen für guten Klimaschutz gibt, die sich die Erwachsenen selbst gesteckt haben. So fordern wir ganz einfach die Einhaltung der Klimaziele von Paris. Wir sind keine Profis und haben als Jugendliche auch gar nicht die Sachkompetenz, um einen Maßnahmenkatalog zu erarbeiten.
Habt ihr durch die Fridays for Future auch etwas über Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung gelernt?
Ja! Auf den Streiks lernen Jugendliche zum Beispiel durch Redebeiträge oder Diskussionsrunden etwas über das Thema. Viel relevanter ist aber noch, dass gerade auch unpolitische, junge Menschen anfangen, sich mit Klimaschutz auseinanderzusetzen und sich zu engagieren. Dies führt eine viel breitere "Awareness" in unüblichen Gruppen herbei.
Was tust Du selber, um den Klimawandel nachhaltig zu gestalten?
Ich selber bin Vegetarier und meine Familie besitzt kein Auto. Außerdem fliege ich nicht und achte auf die Herkunft meiner Lebensmittel und Kleider. Am allerwichtigsten ist meiner Meinung nach aber, dass ich mich auch gesamtgesellschaftlich für eine bessere Klimapolitik einsetze.
Anne Weiß, Lehrerin am Hainberg Gymnasium und Koordinatorin für die UNESCO-Projektschule, unterstützt die Schülerinnen und Schüler, die sich an den Demonstrationen beteiligen.
Was halten Sie davon, dass Ihre Schülerinnen und Schüler für Klimaschutz auf die Straße gehen?
Als Koordinatorin einer UNESCO-Projektschule, die BNE mit zum Kerninhalt all ihres Lehrens und Lernens zählt, finde ich es ein starkes Zeichen unserer Schülerinnen- und Schülerschaft. Sie zeigen mit dieser Bewegung, dieser Aktion: Wir machen da nicht mit. Wir wissen, wie es um unsere Erde steht. Wir wissen, dass unser Planet der einzige ist, den wir haben, und dass es keinen Plan B gibt. Und wir wissen auch, dass alle Veränderungen zur Erhaltung unserer Grundlagen den ganzen menschlichen Reichtum an Ideen und Änderungswillen an einem Tisch versammelt brauchen. An diesen Tisch gehören alle. Das bedeutet insbesondere auch die junge Generation, also unsere Schülerinnen und Schüler.
Das heißt, wir benötigen Partizipation! Wir Erwachsenen und alle die, die an Bildungseinrichtungen gemeinsam mit jungen Menschen tätig sind, wissen, dass Bildung ein Privileg und zugleich die Eintrittskarte zu Räumen ist, in denen wir partizipieren und etwas verändern können. Das nutzen unsere Schülerinnen und Schüler und darauf können wir stolz sein. Denn wenn wir es in unseren Schulen schaffen, unsere Schülerinnen und Schüler dazu zu befähigen, dass sie etwas in die Hand nehmen, dann meine ich, haben wir Bildung richtig verstanden. Anders gesagt: Wir brauchen eine Bildung, die diese Anliegen unserer Schülerschaft ernst nimmt und ihnen Räume zugesteht, damit Lernende befähigt werden sich selbst und die Gesellschaft zu transformieren und an Entscheidungsprozessen teilzuhaben.
Mit dieser Bewegung fordern die Schülerinnen und Schüler eben diese Partizipation ein. Und zwar sehr entschieden, weil sie ja etwa auch Konsequenzen an den Schulen tragen müssen. Die Oberstufenschülerinnen und -schüler stehen kurz vor ihren schriftlichen Abiturprüfungen. Und sie gehen dennoch auf die Straße. Das finde ich ganz beachtlich und ernstzunehmend. Und insofern finde ich diese Bewegung sehr unterstützenswert.
To empower - Das sehen wir hier mit Friday for Future.
Welche Rolle spielt der Klimaschutz an Ihrer Schule jenseits der aktuellen Schülerinnen- und Schüler-Streiks?
Eine sehr große Rolle. Nicht erst seit 2008, seitdem BNE im Schulgesetz aller Schulen von der Theorie her verankert ist, arbeiten wir an unserer Schule an einem UNESCO-Curriculum. Und das bedeutet, BNE nicht nur als allgemeines Unterrichts- und Schulkulturprinzip, sondern auch in den Curricula aller Fächer auszuweisen. Denn BNE ist ein wichtiges Instrument, das dabei hilft, die 17 globalen Nachhaltigkeitsziele, SDGs, in die Tat umzusetzen. Eines dieser Ziele ist der Klimaschutz.
An unserer Schule ist das in vielen Bereichen sichtbar und es wird von unseren Schülerinnen und Schülern reflektiert, geordnet und mittlerweile auch sehr kritisch und mit viel Nachdruck eingefordert. Zwei Beispiele sind etwa die Mülltrennung und Müllvermeidung, ein Müllkonzept wird zur Zeit über die Schülervertretung und unsere UNESCO-Beauftragten in jeder Klasse, 5 bis 13, ausgearbeitet, ebenso die Einführung von Fair-Cups am Schulkiosk. Es gibt zudem einen Wahlpflichtkurs, der sich mit Ernährung und regionalem Wirtschaften beschäftigt und der an Konzepten der Schulmensa beziehungsweise des Fairen Wirtschaftens beteiligt ist.
Wie schätzen Sie die Bedeutung der Klimastreiks für die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit dem Thema nachhaltige Entwicklung ein?
Ich schätze sie hoch ein und hoffe, dass die Bewegung aufgrund der Öffentlichkeitswirksamkeit auch in unserer Schule nach innen weiter wirken wird. Denn es ist etwas in Gang gekommen, was an unserer Schule natürlich sowieso reflektiert und auch gelebt wird. Aber durch diese Öffentlichkeit und das "Draußen vor der Schule" merken die Schülerinnen und Schüler plötzlich, dass auf einmal etwas zusammenpasst. Sie erleben sich im Moment – zumindest, was die Aufmerksamkeit von der Öffentlichkeit wie von der Presse oder von Politikern – als selbstwirksam und sie merken, sie sind hier mit ihrer Meinung bei aller Kontroversität nicht allein. Sie werden zumindest erstmal wahrgenommen. Das ist gut! Insofern stoßen sie gerade etwas Wichtiges an: Learn to change!
Ausgezeichneter Lernort 2016
Mit der nachhaltigen Schülerfirma Macadamiafans Göttingen hat das Gymnasium die Jury überzeugt. 2016 wurde die Schule von der Deutschen UNESCO-Kommission gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung als Lernort ausgezeichnet. Bei der Schülerfirma können Kundinnen und Kunden fair gehandelte, biozertifizierte Macadamianüsse und Macadamiaöl von kenianischen Kleinbauern erwerben - auch Onlinebestellungen sind bei der Schülerfirma möglich.
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