"Es gibt keine Alternativen zur Zivilklausel. Ihre Beseitigung ist in keinem Fall eine."
Torsten Bultmann, Politischer Geschäftsführer des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - BdWi, sprach mit der Deutschen UNESCO-Kommission über den Entwurf für ein neues nordrhein-westfälisches Hochschulgesetz.
Am 18. Dezember 2018 hat die Landesregierung den Entwurf für ein neues nordrhein-westfälisches Hochschulgesetz beschlossen. Dieser Entwurf, der derzeit im parlamentarischen Verfahren behandelt wird, sieht unter anderem vor, die Hochschulen nicht länger zu verpflichten, Zivilklauseln in ihre Grundordnung aufzunehmen. Aus der Zivilgesellschaft kommt dazu Kritik.
Welche Vorteile und welche Herausforderungen bringt das Wegfallen der Zivilklausel für die Hochschulen mit sich?
Vorteile? Überhaupt keine! Zwar mag es einige konservative Professoren geben, die den Wegfall als Zugewinn an "Forschungsfreiheit" deuten. Das ist jedoch ein Freiheitsbegriff, der wissenschaftliche Tätigkeit komplett von deren gesellschaftlichen Zielen und ihrer politischen Bewertung entkoppelt. Die erste "Herausforderung" ist zunächst, die Streichung der Zivilklausel zu verhindern. Dazu läuft derzeit in NRW eine landesweite Kampagne von Wissenschaftsverbänden und Friedensorganisationen, die bereits über 900 Unterstützerinnen und Unterstützern (überwiegend Professorinnen und Professoren) aus dem Hochschulbereich gefunden hat. Das Ergebnis ist offen. Sollte dem kein Erfolg beschieden sein, käme es darauf an, in den Grundordnungen der einzelnen Hochschulen die Verpflichtung auf das Verbot militärisch relevanter Forschung zu verankern.
Mit der sogenannten Zivilklausel in § 3 Abs. 6 des Landeshochschulgesetzes von NRW sollte bislang erreicht werden, dass sich die Hochschulen in NRW dazu verpflichten, einen Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt zu leisten und der Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung nachzukommen. Auch wenn diese Klausel wegfällt, setzt sich die Landesregierung ausdrücklich für die Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) im Bildungssystem ein. Die Landesstrategie BNE und die kürzlich erschienene Leitlinie BNE unterstreichen dies. Wie bewerten Sie das Verhältnis dieser beiden Impulse zueinander?
Der Beweis dafür, dass die Landesregierung damit wirklich einen Impuls für politische Veränderungen im Bildungssektor gestartet hätte, ist noch nicht erbracht. Es kommt schon deswegen auf politisch sicht- und messbare Veränderungen an, weil leider der Begriff "Nachhaltigkeit" auch zu einer politischen Catch-All-Formel geworden ist. Wenn die Regierung wirklich daran interessiert wäre, dürfte sie nicht versuchen, die Zivilklausel abzuschaffen. Militärisch relevante Forschung fördert Rüstungsprojekte, erhöht im Extremfall die Kriegsgefahr beziehungsweise beeinträchtigt mögliche zivile Lösungen sozialer und politischer Konflikte. Das alles wäre das Gegenteil von Nachhaltigkeit, die nur auf der Grundlage ziviler Entwicklungschancen gedeihen kann.
Deutschland beteiligt sich an der Umsetzung des UNESCO-Weltaktionsprogramms BNE. Im gleichnamigen Nationalen Aktionsplan ist festgehalten, wie BNE in allen Bildungsbereichen in Deutschland verankert werden kann. Den Bereich Hochschule bewertet der Nationale Aktionsplan als einen der wichtigsten Hebel für einen gesellschaftlichen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit. Als ein Ziel formuliert er, dass die Länder BNE in ihren Hochschulgesetzen künftig verstärkt berücksichtigen. Welche Alternativen zur Zivilklausel sehen Sie, um das Ziel zu erreichen, BNE auch weiterhin von gesetzgeberischer Seite aus an Hochschulen in NRW zu stärken?
Es gibt keine Alternativen zur Zivilklausel. Ihre Beseitigung ist in keinem Fall eine. Natürlich gibt es "außerhalb" dieser spezifischen Auseinandersetzung verschiedene Handlungsmöglichkeiten: indem etwa die Forschungsförderung stärker auf Projekte orientiert, die ökologische Verträglichkeit oder soziale Technikgestaltung besser ermöglichen. Dazu müsste zuallererst die strukturelle Unterfinanzierung der Hochschulen beendet werden, damit diese nicht immer stärker von externen Geldgebern (Drittmittel) abhängig sind und folglich ihre Ziele nicht frei in gesellschaftlicher Verantwortung gestalten können.