Nachhaltigkeit in digitalen Spielen
Katharina Tillmanns ist Co-Präsidentin der Initiative "Games for Change Europe" und verantwortet die Forschungskommunikation des Cologne Game Lab an der Fachhochschule Köln. Im Interview mit dem BNE-Portal verrät sie, was digitale Spiele für die Nachhaltigkeitsbildung so interessant macht.
Frau Tillmanns, was schaffen digitale Spiele, was andere Medien nicht schaffen?
Spiele ermöglichen handlungsbasierte Lernprozesse. Wer spielt, durchläuft ähnliche kognitive Vorgänge wie beim frühkindlichen Lernen: Auf eine Sinneswahrnehmung folgt eine Phase des Ausprobierens und schließlich eine Auswertung. Bei linearen Medien wie dem Film oder einem klassischen Buch ist das so nicht der Fall. Egal ob primär auf reine Unterhaltung oder die Vermittlung von Lerninhalten angelegt, können Spiele dabei oftmals das leisten, was wir uns für den Unterricht wünschen: Sie können auf den individuellen Lernrhythmus eingehen. Ein gutes Spiel ist wie ein Mentor, es weckt Ambitionen und lässt nicht locker.
Weshalb sind Spiele im deutschen Bildungswesen dann immer noch die Ausnahme?
Bildungssysteme sind träge, und Spiele gelten in Deutschland erst seit kurzem als ernstzunehmendes Medium. Ernstzunehmend einerseits, weil ein nicht unessentieller Bevölkerungsteil spielt, andererseits kam mit Lernspielen und anderen Spezialanwendungen auch erst spät die inhaltliche Legitimierung. In der Berichterstattung ist das mittlerweile angekommen. Jetzt ist es an der Zeit, die Weichen zu stellen: Die Ministerien sollten sich mit Spieledesignern an einen Tisch setzen. Sie sind die Experten in punkto motivierender Lernszenarien.
Angenommen, ich möchte mit einem Videospiel auf das Thema Ressourcenschutz aufmerksam machen. Was muss ich tun?
Eine klassische Vermittlung à la "Hier ist das Problem, da ist die Lösung", die funktioniert nicht. Spieler lassen sich nicht gängeln. Auch eine Spielerfahrung, die kaum mehr ist als ein klickbares Schulbuch, wird nicht erfolgreich sein. Man muss dem Spieler eine Einschätzung oder Entscheidung abverlangen, er muss Autonomie erfahren und regelmäßig das Gefühl bekommen: Ich habe mir Wissen angeeignet durch Trial-and-error, ich habe ein Problem bewältigt.
Lässt sich auf diese Weise denn auch komplexes Wissen abbilden?
Glücksgefühl stellt sich für die meisten Menschen nicht durch die Bewältigung von Komplexität ein. TV-Dokumentationen sehen wir uns ja auch nicht an, um gezielt etwas zu erfahren. Es ist immer auch Unterhaltung. Eine Aufgabe wird also darin bestehen, Komplexität in den Hintergrund zu verlagern und stattdessen einfache Handlungsvorschläge zu eröffnen. Es müssen ja auch nicht alle den Recycling-Weg einer Plastiktüte auswendig lernen. Wir wollen doch den Konsum verringern!